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Unterwegs an der Küste

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„Unterwegs an der Küste“ (Kenneth White, Wieland Grommes)

Das 53-teilige Gedicht Unterwegs an der Küste ist das Schönste und Umfangreichste unter den long poems des schottischen Autors, Philosophen und intellektuellen Nomaden Kenneth White und kann damit als repräsentativstes Werk seines dichterischen Schaffens gelten. Entstanden «aus dem Bedürfnis nach Panorama und Perspektive», so Kenneth White, ist es eine Rekapitulation seines Lebens, «ein Resümee der gesamten schottischen Geisteslandschaft (summa scotica poetica), eine Karte mit neuen Koordinaten, Gezeiten-Analogie, atlantische Dichtung.» In entfernter Verwandtschaft zu Walt Whitmans Leaves of Grass und Ezra Pounds Cantos lässt Kenneth White die traditionellen Vers- und Strophenformen weit hinter sich. Bei Wind und Wetter unterwegs an den Küsten der geografischen und geistigen Landschaften liest Kenneth White «chaotizistisch», wie sein Blick und Geist es gerade erfassen, eine Menge «Strand- und Treibgut» auf – aus Natur- und Geowissenschaften, Malerei und Literatur, Philosophie und Metaphysik, Tao und Zen, Reflexion und Erinnerung – und streut es in Zeilen, so ungeordnet wie Siele im Watt, wie Flechten auf Findlingen, wie Schreie von Mantelmöwen, wie Brandung auf Strandkies.

Eine Leseprobe: hätten wir auch nur diese wenigen verstreuten Felsen am Strand (der Wind heute abend weht heftig mit Regen über die See) wie viel ließe sich selbst daraus lernen denn man kann sehr wohl in geistiger Einheit mit den Felsen leben und vielleicht ist einer der auch nur einen Felsen durch und durch kennt in all seiner Idiosynkrasie und Bezogenheit zu Himmel und Meer besser gerüstet um mit einem anderen Menschen zu sprechen als einer der beständig in einer überfüllten Gesellschaft lebt und verkommt die ihn nichts Wesentliches lehrt.

Written by Matthias Koch

Juni 22, 2009 at 1:56 pm